Kinder- & Jugendbuch buchreport.magazin November 2014
VERLAGE Fürs Bilderbuchprogramm suchen viele Verlage neue, starke Talente. Neben Messen sind Ausstellungen von Kunsthochschulen eine wichtige Quelle.
Junge Kreative sorgen für frischen Strich
Schafft Platz für ungewöhnliche Projekte: Aladin-Verleger Klaus Humann, hier mit dem Leporello „Hundert Hunde“, hält im In- und Ausland nach jungen Talenten Ausschau.
Von großflächigen Aquarellen über mate- rialreiche Collagen bis hin zu Scheren- schnitten und filigranen Zeichnungen: In der Buchbranche werden die aktuellen Ar- beiten von Illustratoren als ideenreich und technisch vielfältig hoch gelobt, vor allem im Hinblick auf die Gestaltung von Bilder- büchern. Auch wenn es nur mit wenigen Künstlern gelingt, eine breite Marktprä- senz und hohe Umsatzzahlen zu errei- chen: Viele Kinderbuchverlage gehen ge- zielt auf die Suche nach Newcomern und frischen mit neuen Gesichtern und Stilen ihr Programm auf. „Dem illustrativen Nachwuchs eine verlegerische Heimat zu geben, ist uns ein besonderes Anliegen“, betont etwa Daniela Filthaut, Geschäfts- führerin des Gerstenberg-Verlags.
Beim Bonnier-Verlag Aladin sind Debü-
tanten mit einem Anteil von fast einem Viertel ebenfalls eine feste Größe, wie Ver- leger Klaus Humann herausstellt. Und das in einer schwierigen Marktsituation: „Der Bilderbuchmarkt ist kleiner geworden und der Verdienst ist bei Auflagen von durch- schnittlich 3000 bis 4000 Exemplaren überschaubar“, bewertet Humann die ak- tuelle Lage in dem Segment und bekrittelt zugleich „sehr viel Mittelmaß“ im Ange- bot. Auch deshalb sucht er im In- und Aus- land nach überraschenden künstlerischen Konzepten, die das Profil von Aladin als Il- lustratoren- und Autorenverlag schärfen.
Talentsuche im akademischen Umfeld
Bei ihrer Suche nach kreativen Bildschaf- fenden können die Kinderbuchverlage aus dem Vollen schöpfen, denn die Zahl der Ab-
Foto: Aladin Verlag; Illustrationen: Gerstenberg, Sauerländer
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solventen und Bewerber ist groß. Wichtige Orte für die Talentsuche sind neben den Buch- messen in Bologna, Frankfurt und Leipzig, wo Grafiker mit ihren Mappen vor- stellig werden, auch Ausstellungen der Hochschulen wie etwa der Hochschule für bildende Künste HfBK in Hamburg. Hier hat Humann die Gestalterin Kerstin Inga Meyer entdeckt, die ihr Typografieprojekt „Langes Gedicht“ in Form von 4m langen, schmalen Textfahnen von der Decke hän- gen ließ. Diese Semesterarbeit als „Buchsta- benspiel“ habe ihn „sofort umgehauen“, er- innert sich Humann. Für das aktuelle Pro- gramm ist daraus das Leporello „Hundert
Hunde“ entstanden.
Ebenfalls in Hamburg hatte der Gers-
tenberg-Verlag die Illustratorin Julie Völk entdeckt. Die Absolventin der HAW erar- beitete das im Frühjahr erschienene Bil- derbuch „Das Löwenmädchen“ als Di- plomarbeit. Für die fein gezeichnete Ge- schichte über Kinderängste und Freund- schaft wurde sie mit dem Nachwuchspreis „Serafina 2014“ ausgezeichnet.
Newcomer aus vielen Nationen
In diesem Herbst und zum Frühjahr 2015 werden Erstlingswerke folgender Illustra- toren vorgestellt:
■ Natalia Chernysheva: „Heimkehr“ (Ar- beitstitel, Atlantis, März 2015) ist eine ge- zeichnete (Familien-)Geschichte über Dis- tanz und Nähe.
■ Irina Dobrescu: Die junge Rumänin il- lustriert den Märchenklassiker „König Drosselbart“ in farbenreichen Bildern und mit Liebe zum Detail (NordSüd).
■Daisy Hirst: „Das Mädchen mit dem Pa- pagei auf dem Kopf“ (Aladin, März 2015) ist eine Geschichte über Freundschaft, Ver- lust und Mut.
■ Emily Hughes: „Wild“ (Sauerländer, Febru- ar 2015) zeigt ein wildes Mädchen und den Kontrast zwischen Natur und Zivilisation.
■ Dominik Rupp: Der Titel „Carlo und Ka- simir“ (Sauerländer, März 2015) über eine Hundefreundschaft war seine Diplomar-
beit an der FH
Münster.
■ Lena Schall: „Als die Wellen
Wurzeln schlugen“ (Mixtvision) kommt ohne Text aus; für ihre dreidimen- sionalen, materialreichen Collagen näht die Künstlerin eigens Puppen.
■Yana Sedova: Die Künstlerin, die der Ver- lag Minedition in Bologna kennenlernte, setzt das Andersen-Märchen „Die Schnee- königin“ in fantasievollen Bildern mit star- ken Blautönen um.
Keine Chance ohne starke Mappe
Um sich in der Vielzahl der Mitbewerber durchzusetzen und über einen Messekon- takt erstmals einen Fuß in die Tür eines Verlagshauses zu bekommen, ist eine klar strukturierte und aussagekräftige Mappe sehr wichtig, meint Dominik Rupp, der dem Sauerländer Verlag seine Werke in Bologna präsentierte. Hilfreiche Tipps für den Einstieg ins Geschäft liefere die Illus- tratoren Organisation (s. Kasten). Hier ge- be es auch Unterstützung in Sachen Ver- tragsgestaltung und Urheberrecht.
Viele junge Künstler treten immer noch weitgehend unvorbereitet auf den Markt, hat Verleger Humann beobachtet: „An vielen Hochschulen wird die geschäftliche Seite des Berufsfelds nicht ausreichend vermittelt.“ Schlechte Verträge und niedrige Honorare würden dann dazu führen, dass die Illustra- toren von ihrer Arbeit nicht leben könnten. Dies trifft nach Humanns Schätzung auf mehr als 90% zu. Zudem seien die Arbeits- abläufe in den Verlagen für die Bildautoren oft undurchschaubar. Auch hier könnten die Hochschulen für mehr Aufklärung sorgen.
„Man muss schnell arbeiten können und belastbar sein“, sagt Rupp zu den Anforde- rungen der Verlage. Er blickt grundsätzlich optimistisch in die analoge und digitale Zu- kunft: „Der Markt bietet jungen Illustratoren viele Möglichkeiten. Und ich bin überzeugt, dass Urheber mit guten Ideen immer ge- braucht werden, egal wie das Medium aus- sieht.“
Ulrike Peters peters@buchreport.de
Individuelle Pinselstriche: Die Künstler Julie Völk (linke Illustration) und Dominik Rupp präsentie- ren sich mit Buchversio- nen ihrer Diplomarbeiten auf dem Bilderbuch- markt.